Nestroy. Grabbe. Shakespeare. Stanley Donen. Max Ophüls. Joshua Logan. Ich sehe Alf als einen ebenso zarten wie wilden Possenreiter. Alf selbst hält sich für ,wollüstig' mit Tendenz zum „Tellerwäscher“. Innsbruck ist nicht Dublin, aber saufen können sie dort auch. Dylan Thomas. Brendan Behan. Alf Brustellin.


Das Orgiastische 'Alfscher Fantasien' ist in den bisherigen Filmen allzu glatt verpackt vielleicht. Treue und Stilwille hinderten ihn, aufs Ganze zu gehen. Da er der Typ ist, der aufs Ganze zugehen muss, wird das zur Chance wie zum Verhängnis.


Alf, ein verhinderter Gastwirt bester Tradition. Ich sehe ihn als Quartalssäufer, Quartalsfilmer, Quartalskinoverbraucher, Quartalsliebhaber, egal, ob manche Quartale Jahre dauern.


Letztes Jahr in Biberach (80), in den 48 Stunden, wo wir zusammen sind, sieht er 28 Kinofilme, stets ein Bierglas in der Hand. Süchtig auf jedes Stück Zelluloid. Manchmal hat Alf moralische Ansichten. Sie betreffen die Erotik. Die will er nicht ausbeuten. Alf liebt Frauen. Er findet sie schön. Er liebt Verwandlung, Maskerade, Schönheit, Geheimnis. Alf überstülpt sich mit sinnlichen Eindrücken bis er sich an nichts mehr festhalten kann. Sollen wir den ganzen Puff ficken? Jawohl! Alle? Und ohne hinsehen? Jawohl! Und wir halten uns am Bierglas fest. Stets ist Alf ruhig dabei. Nie mehr schlafen. Das ist der ausgeflippte Bär in Alf Brustellin. Da er niemand weh tun kann, tut er sichs lieber selber an. Ein Mangel an-Aggressivität, macht ihn traurig und verletzbar. Alf träumt nur von starken Männern (Berlinger), da musste "Der Sturz" ja kommen. Wer genau hinsieht, sieht starke Frauen. Die Männer sind Betrüger, Lügner, Egozentriker. Wer unfähig ist, ist auch fähig. Sich den Verlust einen solchen filmischen Temperaments vorzustellen, macht mich wahnsinnig.

Ich sehe Alf sitzen im Hotel Schweitzerhof. Vor dem Fernseher mit nur einem Koffer. Rasch duschen, ein frisches Hemd, ein neuer Drink. Das ist ein Single, der weiß, wie man sein Leben in Hotels verbringt — and one more for the bar — wie Frank Sinatra singen würde.


Nachdrücklich hält Alf "Mädchenkrieg" für seinen besten Film. Das sollte man vielleicht mal so sehen und sich so angucken. Z.B. ist Handwerk eine moralische Tugend, die verhindert, den Schöpfer herauszukehren. Alf hat seine Not mit den Schöpfern. Schreiben kann er. Kamera lernt er, bis er's kann (Lina Braake). Unter Calvinisten ist es Sitte bei Beerdigungen zu sagen, dass es Gott beliebt, die Besten zu sich zu nehmen. Alf aber ist guter Katholik. Einen Moment war der Schutzengel Pinkeln gegangen, und schon ereignet sich ein lächerlicher Tod. Wäre er selbst gefahren, hätte man über unbewussten Suizid, Zerstörungstriebe und sonst Dankbares jetzt spekulieren können. Meine toten Freunde Franz-Josef Spieker und Roald Koller zeugen dafür. Nicht so bei Alf. Er wurde vom 'Blitz' getroffen im Taxi. So ungefähr.


The party is over — the show must go on!


Laurens Straub

Aus der Zeitschrift "Filme"

Alf Brustellin auf einer Geburtstagsparty.
Amateurfoto von Laurens Straub