Der Regisseur über seinen Film

Vielleicht ist „Der Kinoerzähler“ eine Märchenfigur und ein Kinomärchen, das von einem alten Mann handelt, der nichts auf der Welt mehr liebte als sein Kino, das Apollo, und die Filme, deren feinere Struktur er seinem Publikum 'erzählen' durfte. Denn damals konnten die Bilder noch nicht sprechen, und die Filmkunst war stumm. Eine Figur, die fühlte und handelte, wie Kinoträume funktionieren, in denen die 'Wahrscheinlichkeit nicht wagt, ihr gemeines Haupt zu erheben'. Heute würde man ihn vielleicht einen Cineasten oder Filmfreak nennen, der nur in seiner fiktiven Filmwelt existieren kann; so, wie auch für viele von uns das Kino nicht nur ein Ort der Unterhaltung war, sondern ein Fluchtpunkt, wo man der spießigen Wirklichkeit der Adenauerzeit entfliehen konnte; ein Ort des Überlebens, mit damals noch so schützenden Namen wie 'Filmpalast' und 'Schauburg' und nicht 'Multiplex' und 'Cinemax'.


Mir geht es aber bei diesem Film nicht um historische Rekonstruktion und dokumentarische Wissenschaftlichkeit. So wurden zum Beispiel keine weißen Mäuse im Apollo losgelassen, als der Film Im Westen nichts Neues gezeigt wurde (das hat Herr Goebbels gemacht, in Berlin, um sich in Erinnerung zu bringen und seinen Namen mit einem Film zu verknüpfen, über den alle Welt redete), und vielleicht konnte dieser Film im Apollo schon nicht mehr gezeigt werden, weil er bereits verboten war und nur noch in privaten Vorstellungen vorgeführt werden durfte etc.


Mir geht es um individuelle Wahrnehmung und Erinnerung. Und um das Kino als einen spezifischen Ort, in dem diese beiden Begriffe ineinanderfließen können und so einen Film nach dem Autorenprinzip entstehen lassen. Erinnerungen an Zeiten, die ich als Kind wahrgenommen habe, funktionieren anders als die eines Erwachsenen. Mit meinem Wissen von heute kann ich sie oft nur schwer mit der historischen Faktizität in Übereinstimmung bringen: Es war doch ein schöner Sommer — der Sommer 1945.

Mir geht es aber auch um die Trauer über den Verlust dieses Kinos, wie ich es gekannt habe. Ein Kino, das heute möglicherweise so nicht mehr überleben kann, wie schon damals die Stummfilmkunst untergehen musste, als die Tonfilmzeit anbrach.


Da hilft kein Lamentieren und gegenseitiges Schuldzuweisen. Vielmehr geht es darum, davon vielleicht endlich Abschied zu nehmen, wie auch von den unrealisierten Utopien und den letzten Resten, die vom Autorenfilm übrig geblieben sind: aber nicht ohne diesen Traum noch einmal zu beschwören und den scheinbar so übermächtigen Gegnern ein subversives DENNOCH entgegenzusetzen. In diesem Sinne ist „Der Kinoerzähler“ ein Autorenfilm, der eben von diesem Kino erzählt und versucht, es dadurch in unserer Erinnerung zu halten.